Putz - vom weiß aufgezogenen Kalkgipsputz zum No-name Maschinengipsputz


Wer putzt eigentlich? Der Maurer, der Maler oder der Gipser?
Gab es ein Putzen vor dem Machinenputz?
Was ist ein Aufgezogener?
Wie ging das Putzen damals vor sich?
Kopf und Fuß, französische Putzhaken?
Putz brachte schön Knete!
No-name - no money?
Was dem Maurer bleibt, sind die alten Putze

Wer putzt eigentlich? Der Maurer, der Maler oder der Gipser?

Die "Putzmaschine", G4

Jein. Als Gipsen hat sich mit der Zeit eine spezielle Abart herausgebildet. Hier handelt es sich heute um einen modernen Maschinenputz der überwiegend von Hilfskräften aufgetragen werden kann und eigentlich nicht viel Kenntnisse erfordert. Lediglich die Maschinenbedienung erfordert noch ein wenig Wissen. Alle Kanten werden auf zuvor angesetzten Blechschienen abgezogen und erfordern daher keine handwerkliches Können mehr. Dieser Putz ist einfach und billig, aber auch hart und feuchteempfindlich und der Raumklang leidet sehr am Hall. Für ein angenehmes Wohnklima sind solche Gipserputze ungeeignet - aber eben das Preiswerteste, was es gibt. Sie werden daher bei Gipser oft ein babylonisches Sprachengewirr erleben.

Dazu kommen die Maler, die sich überwiegend mit fertigen Kunststoffputzen einen Markt erobert haben. Sie sind oft mit Dämmaßnahmen damit in Berührung gekommen, wo diese 5 mm Kunststoffdünnschichtputze als Abschluss auf die Dämmung aufgespachtelt werden. Und spachteln ist eine Arbeit, die Malern nicht fremd ist.

Dem Maurer blieb in dieser Entwicklung der Putz übrig, der den Billiganbietern zu schwierig erschien, oder, wo es hinsichtlich der Erklärung der Probleme, auf deutsch gesagt, Sprachschwierigkeiten gibt.

Gab es ein Putzen vor dem Machinenputz?

Maurer Hamit, Auftrag von Kalkputz, Fachwerkfelder

Putz und Putz das sind manchmal eigene Welten. Zum Beispiel sind alle historischen Putze heute gar nicht mehr so einfach herstellbar. Es fehlen oft die Zuschlagstoff und Bindemittel nach alten Herstellungsweise. Hier und da gibt es gute Ersatzstoffe. Es gibt aber auch wirkliche Spezialisten, die alte Kalköfen wieder in Funktion bringen, um Kalk traditionell zu brennen und anschließend zu lagerndem Sumpfkalk zu verarbeiten. Mancher findet sogar die richtige Sandkuhlen wieder. Mit Lehm ist es schon besser gestellt, der hat eine wahre Neuentdeckung hinter sich und wird wieder vermehrt bei Putzen eingesetzt.

Neben dem Material kommt noch das kardinale Problem: Die handwerkliche Verarbeitung bestimmter mehrlagiger Kalk- und Kalkgipsputze macht Schwierigkeiten. Jemanden zu finden, der diese Technik beherrscht, wird von Tag zu Tag schwieriger.

Was ist ein Aufgezogener?

Der sogenannte Aufgezogene, das war noch vor 30 Jahren der gängige Wohnungsputz, ist längst ein historischer Putz geworden. Die ersten seiner Hersteller sind schon gestorben. Wer weiß schon, was eine Sahne ist, oder Sumpfkalkschmand und wie, in welcher Zeit, mit welchen Regeln das aufzubringen und zu specken ist? Ein Gipser oder Maler? Nein, das kennt eigentlich nur der Maurer, weil der es in der Lehre erlernen mußte. Es gehörte bis vor einigen Jahrzehnten (in Niedersachsen bis in die 70-er Jahre) zu seiner Berufsausbildung. Putzprüfung, das war der Schrecken jeder Maurerausbildung, 2 Tage lang ca., 20-25 m2 Wand und Decke auf einer von der Prüfungskommission der Maurerinnung ausgewählten richtigen Baustelle.

Wie ging das Putzen damals vor sich?

Außen-Kalkputz, angeglichen an den alten Zustand

Ja, da stand er, der gute alte Eisenkübel mit 90 Lifer Inhalt. Daraus ergaben sich gerade mal ca. 6 m2 Putz. Aber zuerst einmal einrüsten und den Untergrund vorbereiten, abfegen, vornässen, alle Grate abstoßen (sich über das eigene schlurige Mauerwerk ärgern) Kalkmörtel in Kübel schaufeln und Wasser dazu geben, mit dem Kalkspaten aufrühren, Gips mit der Hand einstreuen, sumpfen (1 Zigarettenlänge), wieder mit dem Kalkspaten aufrühren (Schwitzen), den Kalkgipsmörtel per Hand mit der Berliner Kelle anwerfen (Mütze aufsetzen!), mit
Kalkgipsputz innen, eine Zigarettenlänge ist die Einsumpfzeit

dem Aufzieher aufziehen (geht in die Arme), mit der langen Kardätsche lotrecht eben abziehen (geht in den Rücken), dem Rest im Kübel Sumpfkalk zugeben und mit der Kelle zur Sahne aufrühren (Vorsicht, bloß nichts in die Auigen spritzen), mit der großen Kelle gefächert anwerfen oder mit dem Stahlaufzieher auftragen (das flutscht, wie Sahne), wieder mit der Kardätsche abziehen und dann mit dem Handbrett durchreiben (da werden die Unterarme dick, gibt im Frühjahr Sehnenscheideentzündung) und endlich mit dem Schwamm glatt specken! Je nach Umstand kann auch eine andere Struktur erfolgen. Danach Rüstung saubermachen umrüsten, Fußboden sauberkratzen, Schutt wegschaffen und dann alles wieder von vorn, den ganzen Tag lang.

Kopf und Fuß, französische Putzhaken?

Der französische Putzhaken

Los ging es immer mit der Decke. Dann folgte der Kopf, das heißt der Bereich den man oben von der Rüstung aus erreichen kann. Danach folgte der Fuß. Bei allen Übergängen gab es viel zu reiben, die Ecken, die X-sel, wurden sauber mit der Kardätsche gezogen, wenn die schon zu rund war, wurde mit dem Glätter ausgekratzt. Den guten Putzer erkannten man an den sauberen Ecken und Übergängen. Eckschutzschienen brauchte man nicht. Die Ecken wurden mit gehobelten Brettern angeschlagen und darauf abgezogen. Danach schlug man sie um. Gehalten wurden die Putzbretter mit Putzhaken, wobei die eleganten französischen die beste Funktion hatten. Putzhaken werden in die Fuge geschlagen und auf dem Brett festgekeilt. Zum Lösen reicht ein kleiner Schlag auf den Haken. Das verleibende kleine Loch wird zu gerieben und angearbeitet.

Putz brachte schön Knete!

So viel Arbeit steckte schon in diesem Standardputz. Die Akkordzeitwerte pro m2 damals betrugen Wand 0,45-0,55 h, Decke 0,55-0,65 h, Treppenhaus 0,65-0,75 h, für kleine Räume gab es eine Zulage von 0,2 h. Also es gab bei 20 m2 Schniitt am Tag gutes Geld. Für die Ausbildung eines Lehrbuben bekamen die Maurer garantiert 8 m2 Gutschift pro Tag. Der Lehrling machte aber bald 20 m2 am Tag oder durfte die kleinen Räume putzen. Gerüstet wurde mit Kanthölzern auf Einzelausziehböcken und Bohlenlage. Das Rüstmaterial wurde über Jahre eingesetzt. Als Material brauchte man losen Sand mit Luftkalk gemischt, Sumpfkalk (eingesumpfter Weißkalk) kommt in die 200 ltr-Tonne zum sumpfen, und Gips. Eine Wassertonne mit Wasser fehlt noch. Das Material kostete 1970 pro m2 ca.1 DM. Der Preis pro m2 lag damals bei 8-12 DM. Maurer aus Putzkolonnen hatten oft mehr als ein Haus nebenbei gebaut und machten sich vermehrt als andere Maurer selbstständig. Viele Putz- und Stuckgeschäfte entstanden so zwischen 1960 und 1970. Das Startkapital kam eben schnell zusammen.

No-name - no money?

Heute gibt es pro m2 0,2-0,3 h. Bei den Hungerlöhnen (4-8 Euro) für die Gipser aller Herren Länder, die vorweigend heute Gipsputz mit der Maschine anklatschen, heiß das mind. 30-40 m2 Schnitt an Tag incl. aller Nebenleistungen. Pro m2 gibt es dann hier 1,5 Euro Lohn. Der fertige (mit viel Chemie modifizierte) Maschinengipsputz kostet heute pro m2 2,5 - 3,5 Euro. Dazu kommen Eckschinen, Grundierung und die Maschinenkosten. Der Putzmaterialhersteller holt sich heute einen üppigen Teil des Mehrwerts ohne jegliches Risiko. Der Marktpreis des Putzes der No-Name-Kolonnen liegt bei 5 - 10 Euro. Bei Tariflohnzahlung ergibt sich ein Preis von ca.12 - 13 Euro.

Was dem Maurer bleibt, sind die alten Putze

So bleibt uns heute ( auch aus wirtschaftlichen Gründen) der Bereich der "historischen" Putze und die Reparatur und Sanierung bestehender älterer Putzflächen. Da sind wir immer noch konkurrenzlos gut und preiswert. Wir haben das gelernt, wissen wie man es macht und auch die Materialkenntnisse fehlen uns nicht.

Dazu sind wir Maurer zuständig für klassische 2-lagige Außenputze, Edelputze, Strukturputze, pigmentierte Putze sowie die Innenputzinstandsetzungen und Putzrenovierungen. Dabei setzen wir heute hinsichtlich der Abminderung der körperlichen Belastungen natürlich auch maschinengängige Mörtel ein, die wir mit modernen Putzmaschinen verarbeiten. Wir könnten aber auch noch von Hand.