Sprengel Report
Umbau der Schokoladenfabrik Sprengel in Hannover


Rundblick auf das besetzte Srengelgelände

Wer da baut, muß verrückt sein

Das ganze Gelände und die Gebäudekomplexe von Chaoten besetzt und dazu sich anbahnende Chaostage in Hannover - na dann nur zu, geben Sie mal ab!

Der Auslober schwieg mit jeden Wort dazu, was er schon kommen sah. Keiner mochte vorherzusagen, wie man da heil raus kommt. Da galt es, vor der Angebotsangabe einige Überlegungen anzustellen, zum folgenden Bauvorhaben "Umbau der Schokoladenfabrik Sprengel in Hannover-Nordstadt".

Wir werden im Wettbewerb der günstigste Anbieter

Am Ende gingen wir aus dem Angebotswettbewerb als Sieger hervor und erhielten den Auftrag. Unsere erste Frage: Hatten wir was falsch gemacht?

Impression aus der verlassenen Schokoladenfabrik Sprengel

Wir erhielten die ersten Pläne. Diese kamen von einem kölner Achitektenteam, man sagte uns, die hatten dort "schon mal eine Schokoladenfabrik umgestaltet" und zwar Stollwerk. Bauherrin war die Gemeinnützige Baugesellschaft Hannover, zu 100% im Besitz der Stadt Hannover. Die Bauleitung fiel an ein hannoversches Büro, an die Architektengemeinschaft Naumann / Wenau.

Gehen Sie doch mal mit den Anführern essen...

Der Bauherr trat wegen der lokalpolitischen Dissonanzen hinsichtlich der Besetzer kaum auf der Baustelle in Erscheinung. Immer, wenn es mit den Besetzern brenzlig wurde, durften wir ganz allein gelassen als Konfliktvermittler und politischer Schlichter walten, uns wurden sogar die Mittel an die Hand gegeben.

Dadurch, dass wir den Besetzern zumindest, was ihre Menschenwürde anging, ohne Vorurteile gegenübertraten, kamen wir auch mit Ihnen aus. Sie hatten es uns zu verdanken, dass wir sie an Wasser und Abwasser anschlossen und die ganze Bauzeit über auf Kosten der Bauherrin versorgten.

Diebstähle und Sabotageakte haben wir hingegen nicht hingenommen und unnachgiebig unter Einsatz der zuständigen Behörden verfolgt. Dadurch hatten wir ein so stabiles Verhältnis geschaffen, dass wir eine schwer erkämpfte Vandalismusrisikoversicherung nicht in Anspruch zu nehmen brauchten.

Kein Holz - kein Drang zum Diebstahl

festgenommener Punk

Die Baustelle begann mit einer Strategie, möglichst kein Holz vorzuhalten, denn alle Besetzer feuerten ihre Öfen mit geklautem Bauholz.

Auch wurden alle Mannschaftsbuden und Sanitärwagen und die Baubüros auf die Hauptstraße gestellt, sodaß das besetzte Gelände frei blieb.

Die Magazine richteten wir mit Stahltüren gesichert im Gebäude ein. Wichtig, zum Feierabend mußte alles gesichert sein.

Beschickung der Baustelle

Die Beschickung erfolgte durch Kletteraufzüge, in einen vorhandenen alten Aufzugsschacht eingebaut, sowie an der Rückfassade verankert. Hierbei hatten wir - weitsichtig - Sabotagesicherungen in Form von Sensorsicherungsschaltern vorgesehen (schalten ab, bevor oben der Turm zu Ende ist), was sich noch im weitern als lebensrettend erwies.

Zahnstangen-Aufzug, 1500 kg, 2 x 6 KW

Über diese Aufzüge, die auch einen Bobcatlader aufnehmen konnten, ging der ganze Transport auf der Baustelle. Nur weniges, wie Stahlträger und Betonfertigteile, wurden mit dem Autokran eingebracht. Alles andere Material wurde bereits palettiert abgepackt geliefert, dann mit dem Gabelstapler in den Zahnstangenaufzug geladen und oben mit dem Gabelstapler wieder abgenommen.

Der Schutttransport auf dem Gelände erfolgte per Kompaktlader und im Motjapaner, einem 2 to Dumper und über Rutschen. Die Schuttentsorgung erfolgte mittels Containern. Dazu wurde der Schutt getrennt und zur Deponie oder als reiner Bauschutt zur Wiederaufarbeitung gebracht. Etwa 40-50 to ausgebaute Stahlträger und Stahlsäulen wurden später bei anderen Bauvorhaben wiederverarbeitet.

Abbruch und Sicherung der Konstruktion

Am Anfang standen die umfangreichen Abbrucharbeiten, verbunden mit Abstützungen durch Stahlkonstruktionen zur Sicherung des Gebäudes. Durch den jahrelangen unkontrollierten, politisch bedingten Leerstand (Besetzung) waren die Gebäude stark durchfeuchtet und hatten vermehrt Schäden durch Baumbewuchs, durch Pilzbefall und besonders in der Folge durch Frostschäden aufzuweisen. So mußten in einigen Bereichen Sicherungsmaßnahmen an der Bausubstanz vorgenommen werden.
Brücke zur Absteifung einer Hauptachse im Gebäude

Mit ersten konstruktiven Maßnahmen wurde das Gebäude mit einen Stahlbetonkern am Treppenhaus, einem Stahlbetonaufzugsschacht sowie durch neue tragende Mauerwerksmittelwände ausgesteift. Hierbei gab es die erste Überraschung. Die Ausschreibung offenbarte uns, die nötigen Fundamente waren vergessen worden, worauf wir Mehrkosten und Bauzeitverlängerung geltend machen mußten.

So kam es zu Bauzeitplanverzögerungen, die sich bei diesem Bau durchzogen und sich gesamt auf ein ganzes Jahr addieren würden. Eine Hauptursache stellte sich bald heraus. Der Planer hatte keine Bestandspläne.

Obwohl, es gab hier ein vor Baubeginn erstelltes Sanierungsgutachten mit Plänen zum Bestand von einer hannoverschen Architektengruppe. Diese erhielt aber keinen Auftrag. Wie durch ein Wunder herausgefunden und vom Inhalt vorhergeahnt, stand da alles jetzt fehlende und wichtige schon drin.

Der Auftrag ging nun an die Schokoladenarchitekten aus Köln, die ja "schon mal so was gemacht hatten". Hatte man nur vergessen, sich dieses Gutachten und die Bestandspläne zu besorgen, sprich auch zu bezahlen?

Das alte Spiel am Bau, sparen am falschen Ende und aus falscher Scham niemals über den eigenen Schatten springen. Die Bauherrin hatte den Vorteil dieses Gutachtens mit Bestandsplänen für eine sichere Planung vermutlich völlig unterschätzt.

Sichtmauerwerk aus abgeschlagenen Steinen und kein Regenschirm - eine arme Bauherrin

Bemusterung des Mauerwerks

Ein altes Problem kommt immer wieder neu. Wir sollten, aus Gründen der Einsparung, Wände aus billigeren Steinen (aus Kalksand mit abgeschlagenen Ecken) mauern, aber das ganze sollte nun noch ein Sichtmauerwerk werden. Sicherheitshalber machten wir erst mal ein Muster, um das Maß der "Optik der Sparsamkeit" vorher festzulegen.

Stück für Stück bekamen wir die nötige Aussteifung durch neue Wände, durch Stahlbetonkerne, Stahlkonstruktionen und Stahlbetondecken in das Gebäude hinein.
Stabilität, Schall- und Brandschutz erfordern neue Wände

Die Risse wurden merklich weniger. Der Statiker freute sich. Was uns nun fehlte, war die hohe Baufeuchte in den Griff zu bekommen, mit einen Dach über dem Kopf. Das zögerte sich, auch hier aus Gründen der Sparsamkeit, immer länger hinaus.

Unerwartet war der Winter dann plötzlich da, während unser Gebäude nach wie vor triefend durchnäßt war. Hätten wir keine Bedenken angemeldet, man hätte uns (aus Sparsamkeitsgründen) den ganzen Schaden noch bezahlen lassen. Das klappte dann nun doch nicht mehr. Aber versucht wurde es natürlich.

Hundertschaften mit Hundestaffeln - Besetzer aussperren oder in Ruhe lassen?

Dann kam der Tag, wo wir auf der Baustelle eingesperrt waren. Hundertschaften der Bereitschaftspolizei standen im Konvois auf dem Uni-Gelände an der Strangriede. Von dort schwärmten sie aus, just auf unsere Baustelle zu. Wir standen plötzlich zwischen den Fronten, wie wird unsere Baustelle das überleben in diesem Chaos?

Chaostage in Hannover

Eigentlich ganz gut, denn wir hatten strategisch vorgebaut. Von der Bauherrin hatten wir verlangt, das große Stahltor, was die zweite Verbindung zum dahinterliegenden besetzen Sprengelgelände ermöglichte, auf keinen Fall zu schließen. Auch auf jeden Bauzaun an dieser strategischen Stelle wollten wir verzichten.

Den größten Ärger gab es nämlich hier nach Schließung der Verbindung gleich zu Baubeginn, weil die Besetzer keine direkte Verbindung zu ihrem Gelände hatten. Die damalige Versperrung ihres Rückzuges brachte uns eine Wut mit Zerstörung ohne Ende, die nach Öffnung des Weges genauso abrupt völlig abebbte.

So überstanden wir mangels Abzäunungen die Auseinandersetzungen unbeschädigt, allerdings mußte eine Polizeitruppe unsere Baucontainer und Buden vor dem Abgefackeltwerden schützen. Wir hätten ansonsten nur Barrikaden aus unseren Bauwagen vorgefunden. Am Ende ließen alle Chaosveranstaltungen das Baugeschehen fast unberührt. Kleinere Schäden wurden von unserer nur ganz ausnahmsweise zugebilligten Vandalismusversicherung von der VGH ersetzt.

Kleinigkeiten in großem Umfang

ein 170 to Kran kämpft an der engen Zufahrt
Treppeneinbau durch das Dach mit 170 to Kran

Die stetigen Zwangspausen brachten uns die dringend nötige Zeit, Hunderte von Öffnungen, Löcher und
passgenau durch ein Loch im Dach kommt die neue Treppe

Deckenfelder zu schließen. Endlich waren die Vorabpläne für die Treppenhäuser fertig und wir durften und mit der Treppenmontage beschäftigen. Auch hier waren wir schon fertig, aber noch nicht die Planung der Treppe. (Der Bestand mußte wieder erst aufgemessen werden.)

Ein Problem wurde es mit dem Baufortschritt immer mehr, die vorgefertigten Treppenteile in das Gebäude zu bringen. So war plötzlich das fehlende Dach doch noch ein gewollter Vorteil.

Mit den (am Bau üblichen) Pannen, dass der Hersteller einige Treppen aus Versehen seitenverkehrt geschalt hatte, wurden die Treppen per Kran in das Gebäude gehievt. Die Pannen bekamen wir schneller in den Griff ,als die Festlegung der Maßachsen, die uns der Planer anzugeben hatte. Gern hätte er gesehen, wenn es -der Verantwortung wegen- jemand anderes gemacht hätte.

Putz

In der Schußphase kamen die Putzarbeiten als nächstes. Eigentlich für uns kein Problem - bis auf das Treppenhaus. Wie man dies fluchtrecht über 20 m Höhe schaffen soll, ohne die Wände vorher fluchrecht auszugleichen, das bleib ein wohlbehütetes Geheimnis im Bauvertrag. Wir durften es durch einen Nachtrag lüften und einen Ausgleichsputz schaffen. Das bedeutete erneut Mehrkosten.

Treppenhaus wartet auf Treppe

Am Ende wurde das Treppenhaus aber immer schmaler, wohin mit den Handläufen, wenn die Treppenlaufbreite immer geringer würde? Bestand und Planung stimmten nicht überein. Die vorgegebenen Achsmaße einzuhalten, trieben Bauleiter und Planer zu Höchstleistungen an. Am Schluß fanden wir noch eine Lösung, wie man heute vor Ort ohne Zweifel sehen kann.

Sabotage !

Dann, aus heiterem Himmel der Schock! Der hintere Zahnstangenaufzug fährt, wie gewöhnlich, mit einigen Leuten in die Höhe ohne daß sie ihn stoppen konnten. Immer weiter hoch, näher und näher kommt der Endpunkt, der bei einem Zahnstangenaufzug einfach offen ist - fährt er nun drüber? Gellende Schreie der Leute, die sich schon herunterstürzen sehen. Dann, ganz dicht vor dem Ende bleibt er stehen. Über die Gerüste klettern alle unversehrt herab, den Schrecken tief in den Gliedern. Unser Schlosser baut die Steuerung aus und überprüft alle Sensoren, in Ordnung? Nein, es hat jemand daran manipuliert und die Kabel umgeklemmt.

Es wurde danach ein Fall für die Kriminalpolizei, die nun die Ermittlungen aufnahm in einer Sache die weitergehend eindeutig gezielte Sabotage war, mit der kaltblütigen Inkaufnahme vom Tod unserer Leute! Die Ermittlungen zielten in bestimmte Richtungen, es konnte aber ausgeschlossen werden, dass die uns ja nicht unfreundlich gesinnten Sprengelbesetzter zum Kreis der Verdächtigen gehörten. Die Ermittlung ging am Ende in ganz andere Richtungen. Der oder die Täter konnten jedoch nicht ermittelt werden.

Fassadeninstandsetzung

Um die Fassade in der Straßenfront wieder instand zu setzen, mußten von uns in einigen Bereichen Verblendmauerwerk in großen Teilen ergänzt werden. Auch hier ging es nicht nur um sachliche handwerkliche Baukunst, sondern auch darum, den größten "Sparkrampf "zu vermeiden. Im wesentlichen konnten wir überzeugen und eine gelungene Vorderansicht wiederherstellen.

-
eingerüstete Fassade im Winter
letzte Fensterelemente werden montiert

Anders an der Rückfassade. Allein, dass hier 2 mal ein Gerüst aufgebaut wurde ließe ahnende Fragen zu. Nach Herstellen neuer AußenFenster mit Bögenstürzen und völliger Ausbesserung aller Frostschäden und Ergänzung des abgenagten Mauerwerkes an Stellen, die durch den Gebäudeabbrüchen entstanden waren, sollten wir ein für diese Fälle bewährtes Putzsystem anbieten. Der war der Bauherrin aber zu teuer.

Zur Ausführung kam nunmehr eine besondere Farbbeschichtung, die am Ende drei mal so teuer bezahlt wurde. Was die Bauherrin da geritten hatte? Wir dürfen es nur ahnen, der Sparzwang! Tatsache war, nach Fertigstellung der roten Farbbeschichtung kam es zu unansehnlichen Ausblühungen mit weißen Schlieren. Weil dies wohl abregnen würde, mußten wir unsere Gerüste abbauen.

Es regnete aber nicht ab und die kostengünstige Malerfirma (aus einem westlichen europäischen Partnerland) erschien gar nicht mehr. In der Öffentlichkeit erzeugte so eine Fassade nicht nur Mundwinkelschmunzeln sondern aus Stirngrübelrunzeln. Wir mochten am liebsten ein Schild aufhängen, wir haben das nicht gemacht!

Diese abschreckende Ansicht, konnte die Bauherrin so nicht belassen. Fazit: noch einmal einrüsten und noch einmal streichen. Fazit des Fassadenspektakels: Sparsamkeit richtig in Szene setzen, denn wer aus Fehlern lernen will, darf hier nicht sparen!

Eine Heizzentrale - zack, zack!

Der Leerbogen für den Ziegelmauerbogen
fertiges Ziegelmauerwerk mit Bogen

Eine Überraschung war nicht nur die endliche planerische Lösung des Untergeschosses sondern auch der nötige Anbau einer Heizzentrale. Das ging aber ganz gut über die Bühne, denn da lag endlich mal eine komplette Planung vor, sodaß wir ein Pauschalangebot abgeben konnten, was anscheinend auch sparsam genug war. Auf jeden Fall ging das flott von der Kelle, endlich war mal alles an Ausführungszeichnungen komplett vorher da.

Fertig

Irgendwann kam dann der Zeitpunkt, der dem Baumenschen immer weh tut, das Gerüst fällt und alles ist fast fertig! Ja und Richtfest? Gab es da was (außen dem Sparzwang), an das wir uns erinnern können?

Nach zwei Jahres ist es geschafft, das Gebäude ist bezogen. Für den Rest ist kein Geld mehr da.

Erinnerung, was bleibt

Es war ein schöner Bau, und es waren auch Menschen beteiligt, die mit der Zeit auftauten und einen Schritt nach vorn traten. In der täglichen Auseinandersetzung bildeten sich dann auch mehr und mehr zaghafte Ansätze, menschlicher einander zu begegnen.

Aber es war hier auch eine trieste soziale und gesellschaftlich harte Umgebung gebildet von Sprengel-Besetzern und einem Haufen aufmüpfiger von zuhause davongelaufener Jugendlicher, mancher aus besten hannoverschen Kreisen, wie es sich manchmal zufällig im Gespräch entpuppte. Wir hatten es hier an diesem Bau aber auch mit den unterschiedlichsten Originalen zu tun, angefangen von unserem Baustellen-Künstler (siehe unten seine fahrende Baustelleninstallation), bis zum gütigen Vermittler zwischen den Fronten aus dem hannoverschen Stadtplanungsamt .

Diese Aktionskunst hat uns immer begleitet

Umbau ehem. Sprengel-Fabrik Hannover
Standort:
Schaufelder Straße 29, 30167 Hannover
Bauherr:
GBH Gesellschaft für Bauen und Wohnen mbH, Hannover
Architekt:
Schaller/Theodor Architekten BDA, Köln
Projektleitung:
Monica Constantinescu
Mitarbeit:
Sabine Bode, Birgit Schramm
Fachplaner:
Statik: Sellmann, Hannover; Fachingenieur: Kizou/Hesse, Hannover
Bauleitung:
Wenau/Naumann, Hannover